Dienstag, 29. April 2014

Revolution in Altona - ein Theaterexperiment

Ein Theaterstück am Altonaer Theater. Erster Teil: 20er Jahre, Altona, Arbeiterbewegung, soviel ist klar. Kommt Ernst Thälmann wirklich aus Altona? Tatsache. Ist das jetzt eine Bildungslücke, wenn man das nicht weiß? Den "Hamburger Aufstand" nicht kennt? Ist das der kleine Bildungsbürger in mir, der gern ein Programmheft mit ein paar mehr Informationen dazu hätte? Oder braucht es das in der Smartphone-Gesellschaft nicht mehr, kann man ja alles googlen?

Interessante Idee zumindest, beide Teile miteinander in Verbindung zu bringen, heutige politische Lage (wie nennt man das? Ist "Krawalle" bereits eine Wertung? Rebellion? Revolte?) als Fortsetzung der historischen Tradition. Sind die heutigen Autonomen die Nachfolger der damaligen klassenbewussten Proletarier?

Zweiter Teil deutlich interessanter als der erste, auch wenn bei manchen Themen der Eindruck herrschte: Dazu müsste man vermutlich hier leben und das Ganze mitgemacht haben, um mehr dazu sagen zu können. Hin und wieder der Gedanke aufzuspringen und zu pöbeln, ob südlich der Elbe eigentlich am Horizont von Altona auftaucht. Abgeblockt durch die Tatsache, dass die Mehrheit der Schauspieler "mit" ist. Mit Migrationshintergrund nämlich. Was ja eher selten bis so gut wie nie vorkommt und dem Stück sehr hilft. Sehr spannend im Zusammenspiel zwischen 1. und 2. Teil nämlich auch: Während man sich zunächst amüsiert über die Sprachmelodie von Volkan T., der nicht so richtig wie ein Hamburger Arbeiter von 1923 klingt, denkt man dann, dass das doch ganz passend ist, wegen der Parallele, wer denn die Drecksarbeit macht - wenn es damals schon türkische Einwanderer gegeben hätte, dann wären die die Hafenarbeiter gewesen. Also doch.

Stärkster Moment: Pınar Erincin erinnert an die Demonstrationen in Istanbul im Gezi-Park. Und plötzlich kommen einem die Themen hier wieder ein bisschen ... abgehoben vor. Zumindest mehr so als Luxusprobleme, es sei denn natürlich, man möchte den Kapitalismus insgesamt abschaffen. Möchte man das auf der Bühne?

Bis 2. Mai noch im Altonaer Theater - und bestimmt noch besser, wenn sich nicht nur die ersten drei Reihen des Theaters füllen, sondern, so wünsche ich es ihnen, zur Abschlussvorstellung am 2. Mai das Haus voll sein wird und ein paar Zwischenrufer aus der Szene für Stimmung sorgen werden. So stelle ich mir das zumindest vor. Für eine Konfrontation der theatergehenden Bildungsbürger mit der autonomen Szene ist der Eintrittspreis nämlich zu hoch, da bleibt man größten teils unter sich mit den lieben älteren Damen, die ja immer die Mehrzahl der Theatergänger ausmachen.

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