Mittwoch, 10. August 2016

Geschichte(n) im Ersatzverkehr

Der S-Bahn-Ersatzverkehr bringt mich durch den Veddeler Bustunnel. Ich bin da bisher erst ein Mal mit dem Taxi durchgefahren und der Taxifahrer war stolz wie Bolle, dass er mir sowas Ausgefallenes zeigen konnte. Fühlt sich natürlich gut an, wenn man da zwischen den Fahrspuren auf den Elbbrücken rauskommt und am ganzen Stau des Individualverkehrs vorbeirauscht.

Heute nun also im Bus. Die Fahrt dauert natürlich viel länger, als wenn die S-Bahn einfach durchfahren würde, aber das ist diesen Sommer nun mal so - für viele Wochen merken wir wieder, dass südlich der Elbe ganz schnell ganz schön abgeschnitten vom Rest der Stadt sein kann.

Aber nicht schlimm, auf den Bus müssen wir nicht lange warten, voll ist er auch nicht, Klimaanlage läuft. Zu meiner Sitznachbarin sage ich "Was für eine Gurkerei". Was man halt so sagt, wenn man die Stimmung auflockern will und ein kurzes zustimmendes Wort erwartet.

Stattdessen fängt die Dame an zu erzählen. "Der Tunnel, da sind wir früher rein, wenn wir es zum Bunker nicht mehr geschafft haben. Der war noch nicht fertig, da stand nur dieser Anfang hier".

Schluck.

"Hätte ich gewusst, dass ich da siebzig Jahre später mit dem Bus durchfahre, hätten wir ja ganz anders in die Zukunft geschaut, damals."

Sie wischt sich über die Augen. Ich muss auch mal kurz was wegwischen.

Was sagt man da? Ein "Ach, Sie haben auf der Veddel gewohnt?", nicht sonderlich intelligent oder empathisch, aber immerhin.

"Nein, da waren wir durch Zufall. Das war, als Hamburg so stark bombardiert wurde. Wären wir da zu Hause in Hamm gewesen, wären wir alle tot."

"Von hier bis Berliner Tor konnte man durchschauen, da stand kein Haus mehr."

Der Bus fährt jetzt durch Hammerbrook. Den Stadtteil, in dem heute fast niemand mehr wohnt und der voller Bürogebäude steht. "Im Zweiten Weltkrieg wurde Hammerbrook während der Operation Gomorrha in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 von britischen und US-amerikanischen Bombern nahezu vollständig zerstört, etwa 12.000 Einwohner starben."  Quelle: Wikipedia

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