Donnerstag, 11. Mai 2017

Re:publica 2017 - Highlights und Wünsche

Nach einem Jahr Pause habe ich es dieses Jahr wieder auf die re:publica geschafft. Und dieses Mal das ganze Paket: Ankommen schon am Sonntag Abend, damit ich die Eröffnung miterleben kann. Und Abreise am Donnerstag, so dass ich Abschlussveranstaltung und sogar, ich kann es selber noch kaum fassen, die Abschlussparty mitmachen konnte.

Was großartig war: Schon am ersten Tag war ich voll und ganz zufrieden und hätte genug Programm für den Rest des Jahres zum Nachdenken gehabt.

Eröffnung und dann JournalistInnen aus Ländern, meist gar nicht so weit weg (Türkei, Polen, Ungarn, Ägypten), wo Pressefreiheit wegen Bedrohtheit einen ganz anderen Stellenwert hat als bei uns. Nicht "Lügenpresse", sondern "Oh mein Gott, nehmt uns die Medien nicht weg, sonst kriegen wir gar keine Informationen mehr!" Am beeindruckendsten Can Dündar. Er ist nicht unbedingt ein charismatischer Redner, sein Englisch nicht perfekt, aber: Die pure Kraft dessen, was er durchgemacht hat und wovon er berichten kann: Erst angeklagt wegen Spionage wegen eines Artikels. Gefängnis. Zunächst freigesprochen (zwei der Richter sind inzwischen selber in Folge des Putsches in der Türkei inhaftiert). Auf dem Weg zum Prozess angeschossen. In Abwesenheit verurteilt.

DA GEHT JEMAND INS GEFÄNGNIS FÜR DIE PRESSEFREIHEIT. ER SCHAUT IN DEN LAUF EINER PISTOLE UND DAS IST IN ECHT ÜBERHAUPT NICHT COOL WIE IN FERNSEHSERIEN, SONDERN ER WÄRE GANZ ECHT FAST DABEI GESTORBEN. Für seine Haltung. Für sein Einstehen für seine Werte.

Ja, das muss so in Großbuchstaben, weil ich stilistisch nicht so begabt bin, um meiner Fassungslosigkeit und meinem Beeindruckt-Sein anders Ausdruck zu verleihen.

Und das hätte mir eigentlich schon gereicht. Natürlich kann man einwenden, ob es etwas bringt, Bet. roffenheit. Aber es ist doch großartig, wenn Can Dündar die Gelegenheit bekommt, Hunderten von im weitesten Sinne Medienschaffenden seine Geschichte zu erzählen und auf die Lage der Pressefreiheit (und anderer bedrohter Freiheiten) in der Türkei aufmerksam zu machen.

Augenzeugenberichte aus der Nazi-Zeit sprechen uns auch auf einer anderen Ebene an als Lehrbücher. Keine Ahnung, ob man das ersetzen kann. Oder auch nur sollte. Ob man sich hauptsächlich rational-faktisch damit auseinandersetzen müsste. Andererseits: Genau dazu gab es viele weitere Vorträge auf der re:publica. Dass wir Menschen über Geschichten funktionieren. Dass wir Menschen "Fakten" niemals (oder selten) einfach so einordnen können, sondern immer in "Frames" packen. Das ist also schon richtig so. Wir müssen uns erzählen lassen.

Weiter ging es mit Carolin Emcke. Zunächst kam mir der Vortrag sehr verkopft und geisteswissenschaftlich vor, aber eine Sache konnte ich doch mitnehmen: "Mehrheiten kann man organisieren!" Man muss nicht vor der vermeintlichen Masse an Gegenmeinung (Pegida und Co) zurückzucken, sondern soll für seine eigene Meinung werben.

Meine Wünsche an die re:publica: Mehr Zusammenfassung und Einordnung.

Wenn es (mal wieder, darum ging es in den letzten Jahren schon sehr oft) um mögliche Finanzierungsmodelle des Online-Journalismus geht: Könnte da mal jemand eine kurze Zusammenfassung machen, was schon alles da war, probiert wurde  und funktioniert hat oder auch nicht? Was aus Lokal-Blogs wie Hamburg-mittendrin geworden ist (da weiß ich es zufällig, aber was ist aus den Berliner Kiez-Blog-Projekten geworden)? Wie hat sich "Laterpay" entwickelt, das Robert Gutjahr vor zwei Jahren vorstellte? Wenn Projekt R in der Schweiz so was ähnliches wie Krautreporter macht (allerdings mit wahnsinnigem Erfolg beim Einwerben der Abonnements): Wieso soll es bei Projekt R  besser klappen? Was wollen sie anders machen?

Und Themen, die miteinander zu tun haben, Zusammenführen und die Vortragenden zu gemeinsamen Schlüssen bringen, falls das möglich ist, das stelle ich mir sehr spannend vor.

Wenn also zum Beispiel Elisabeth Wehling darüber referiert, wie "Frames" unser Denken formen und dass Negierung von Konzepten diese im Kopf der Zuhörer wachruft. Wenn man also von "Fake-News" redet, verstärkt man das Konzept, selbst wenn man negativ darüber berichtet. Und könnte man DANN die vielen anderen Vorträge, wie man das Vertrauen in die Medien stärkt und ähnliches, daran messen und darauf beziehen und mit Frau Wehling darüber diskutieren lassen, ob die vorgestellten Konzepte im Licht von "Framing" voraussichtlich wirkungsvolle Strategien sind oder ob sich nicht noch bessere Ideen ergeben?

Ja, das fände ich spannend. Wem muss ich das einreichen?

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